So, diese Phase durchlebt wohl fast jeder aber das macht es auch nicht besser. Habe die verschiedenen Phasen des Kulturschocks ja sogar in der Uni gelernt.
Heute ist Tag 23, bleiben noch etwa 130 weitere.
Zumindest in meiner Subjektiven Wahrnehmung ist hier gerade alles total Scheiße. Objektiv betrachtet ist es hier gar nicht so schlecht, aber ich bin kein Objekt sondern ein Subjekt und dem geht es gerade nicht gut.
Fangen wir damit an, das die “Vorlesungen” nicht nur stink langweilig sind, sondern auch nicht im geringsten etwas bringen. Die Professoren haben (von Ausnahmen abgesehen) nicht den blassesten Schimmer von was sie reden und “lehren” teilweise schlicht falsche Sachen. Die dämlichen Zeiten meiner Vorlesungen, so kleckerweise über die Tage verteilt macht mich auch nur wahnsinnig. Ständig Leerlauf der zu NICHTS zu gebrauchen ist.
Das Essen hängt mir auch schon zum Hals raus, manchmal ist es essbar, dann das selbe Gericht sooooooo scharf, das ich es stehen lassen muss. Die anfängliche Freude über die große Auswahl ist auch verflogen. Was in Indien auf einer Speisekarte steht und was dann wirklich da ist ist im etwa im Verhältniss 10:1. Von den Gerichten die es dann gibt fallen die nicht vegetarischen Sachen und die sowieso VIEL zu scharfen (können selbst viele Inder nicht essen) Gerichte weg. Ich esse jeden Tag fast das gleiche geschmacklose Zeug.
Dazu kommt das alles umfassende System von Dumheit, Ignoranz, Menschenverachtung und Überheblichkeit. Die Studenten hier gehören alle zur Oberschicht, ist ja nicht gerade eine Günstige Privat-Uni hier. Es macht den Anschein als ob die Nachkommen der Oberschicht hier einfach nur asoziale Arschlöcher sind.Die Inder ausserhalb dieser “Anstalt” habe ich bisher als sehr nette Menschen kennen gelernt. Ist man in den Stacheldraht und Glasscherben besetzten Mauern des Campus, sind die einzigen Menschen mit denen man reden kann die untersten Angestellten und die wenigen Ausländer.
Wie die Männer hier mit den Frauen umgehen ist ein ganz anderes Thema, werde ich jetzt nicht groß drauf eingehen. Das einzige was ich dazu sage ist: WI-DER-LICH!
Dazu kommt dieser Patriotismus, Nationalismus, Rassismus, Faschismus und Ignoranzismus der jedes Gespräch mit Kommilitonen zu einem Albtraum macht. Hier werden die Chinesen gehasst, die Pakistanis als Untermenschen bezeichnet, Afrikaner/”Schwarze” für naturgemäss weniger intelligent gehalten und das alles innerhalb von 2 Minuten Gespräch. Sobald ich sage ich bin deutscher, bin ich entweder “Näzii”, Hitler oder halte mich für was besseres weil ich aus der “1. Welt” komme. Vorhin wurde dann aber der bisherige Höhepunkt erreicht, mein super special “friend” (das ich nicht lache) Sahchin (siehe Kochi Artikel eins drunter) hat sich nach Anfeindungen gegen ihn von mir weg gesetzt. (So von wegen: Du bist eine Schande für uns Inder, das du dich immer mit diesen scheiß Europäern abgibst…). Die besten Freunde die man für Geld kaufen kann. Aber ich war ja eh nur eine weiße Trophäe für ihn. Die Sache hat sich jetzt erledigt, denke nicht, das er nach unserem, recht kurzem, lauten und einseitigen Gespräch von eben noch mal ein Wort mit mir wechseln wird. Besser so, er ging mir sowieso mehr auf die Nerven als alles andere hier.
Das schlimmste überhaupt ist aber das Heimweh. Ich vermisse meine Michèle total. Ich habe das Gefühl einen großen Fehler gemacht zu haben überhaupt her zu kommen. Meine liebste wird wenn alles glatt geht demnächst an die Nordsee ziehe und, ich dann nachkommen. Aber wir können nicht zusammen unsere neue Wohnung aussuchen und einrichten. Diesen neuen Lebensabschnitt nicht gemeinsam beginnen. Auch in der Endphase ihrer Bachelorarbeit habe ich sie im Stich gelassen.
Versteht mich nicht falsch, Indien ist ein tolles Land. sobald ich den Campus verlasse geht es mir gleich besser. Dort gibt es zwar Armut ohne grenzen aber es ist echt. Auf dem Campus wird mit allen mitteln versucht sich von dem Schmuddelindien, der Armut und der eigenen Verantwortung abzugrenzen. Mein Gewissen macht es mir schwer mich unter diesen Menschen, die sich für etwas so viel besseres halten zu bewegen. Ich würde gerne, zusammen mit Michèle, dieses unfassbar freundliche und wunderschöne Land bereisen. Hier auf dem Campus fange ich gerade in die Menschen zu hassen.
Nächste Woche haut der einzige Europäer der noch hier ist, Alex aus Österreich, in die Heimat ab, dann habe ich keinen mehr, der mich und meine Probleme versteht. Gestern ist zwar wohl eine Studentin aus Dresden angekommen, hatte aber noch keine Gelegenheit sie kennen zu lernen.
Ich hoffe wirklich, das ich aus diesem Stimmungstief wieder herauskomme. Ich möchte gerne noch viel mehr sehen und lernen. Es kann immer noch eine schöne Zeit werden! Wenn der/mein Zustand aber bleibt wie er ist, werde ich nicht bis Juni hier bleiben.
Mein Leben ist mir zu schade um es auf diese Art und Weise zu verbringen. So komisch das auch klingen mag.
Ich hoffe ich ziehe euch mit meiner Laune nicht herunter, aber die Schattenseiten (m)eines Auslandsaufenthaltes wollte ich euch nicht verheimlichen.
beste Grüße
Philipp